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Veröffentlicht am 18.02.2019

Skoda’s clevere Partnerschaften für die Digitalisierung

Skoda will bei der Digitalisierung, beim autonomen Fahren und neuen Mobilitäts-Angeboten in der ersten Reihe spielen. Dafür vernetzen sich die Tschechen mit starken Partnern und zukunftsträchtigen Start-ups – speziell in Israel. Deutsche Autohersteller zieht es seit einiger Zeit mit Macht nach Israel, denn die rasante Start-up-Szene des kleinen Hightech-Landes ist weltweit ein Spitzen-Player bei der Digitalisierung. Skoda ist hier seit Januar letzten Jahres ganz vorn dabei – und hat inzwischen spannende Partner gefunden.

Warum gerade Israel? Warum ausgerechnet dieses kleine kriegs- und krisengeschüttelte Land im nahen Osten, das mit 22.000 Quadratkilometern gerade die Größe Hessens hat. Ganz einfach: Dieser Zwerg hat 93 Firmen im Technologie-Index NASDAQ gelistet – Deutschland kommt nur auf acht. IT-Größen wie Apple, Cisco, Google, Amazon und Intel haben hier Entwicklungszentren, und Mobileye zum Beispiel, weltweit führend bei Systemen zum autonomen Fahren und zur Unfallvermeidung, ist ein israelisches Unternehmen.

Israel, ein Land, das einen Weltrekord hält. Dort gibt es die meisten Start-ups pro Einwohner, aktuell sind hier 6000 aktiv, fast alle im High-Tech-Bereich. Und über 600 von ihnen beschäftigen sich im gelobten Land mit IT-Themen, die direkt die Automobilindustrie betreffen. Die smarten Stichworte heißen Simulation, Sensoren, Connectivity, Smart Navigation, Cyber-Sicherheit, Elektro-Mobilität, Big Data und so weiter.

Die VW-Tochter Skoda hat den schnellen Einstieg in die Szene schlau eingefädelt, sie ist nämlich über eine Kooperation mit ihrem in Israel extrem gut vernetzten Autoimporteur Champion Motors, der wiederum zur großen Allied Group gehört, mit einem DigiLab (also einer Forschungsstelle) vor Ort aktiv. Und diese Verbindung hat sogar einen wirtschaftlichen Hintergrund, denn die Tschechen sind mit einem Marktanteil von 8,5 Prozent die stärkste europäische Automarke in Israel, das selbst keine Autos baut. »Wir wollen uns unter den digitalen Top-Playern hier zuhause fühlen und nach Ideen für neue Themen und Mobilitätsmodelle suchen«, sagt Jarmila Placha, die Skodas hauseigenes DigiLab in Prag leitet.

Logischerweise kam für Skodas israelisches DigiLab nur Tel Aviv in frage, die Stadt, die niemals schläft, in der manche Bars für Nachtschwärmer erst um drei Uhr morgens aufmachen. Eine Start-up-Hochburg par excellence, auch weil der Staat die Gründer generös unterstützt, über 80 Prozent ihres benötigten Budgets gibt es als günstiges Darlehen, das nur im Erfolgsfall zurückgezahlt werden muss. Und weil im »Silicon Wadi« entlang der Mittelmeerküste selbst die verrücktesten Ideen zum ernsthaften Brainstorming zugelassen werden – zwischenzeitliches Scheitern gehört zum Geschäft. »Wenn du es hier schaffst, schaffst du es überall in der Welt«, sagen die jungen Israelis, die man zum Beispiel in einem ziemlich schräg eingerichteten Tel Aviver Mindspace in der Ahad Ha’Am Street trifft, das gegen eine Monatsmiete von 250 Euro diverse Team-Arbeitsplätze mit High-Speed-Internet und Kaffeebar offeriert.

Auffällig: Während das Durchschnittsalter der amerikanischen Silicon Vallye-Start-ups zwischen 25 und 35 Jahren liegt, passen die israelischen Kollegen mehr für die Ü40-Party. Sie haben in jedem Fall schon ihren fast dreijährigen Militärdienst (Frauen mindestens zwei Jahre) absolviert – und in dieser Zeit eine hohe technische Ausbildung absolviert. Speziell die für elektronische Kriegsführung zuständige »Einheit 8200« hat da einen legendären Ruf. Viele ihrer Ex-Mitglieder sind heute Stars der Start-up-Szene. Jeder kennt jeden aus der Militärzeit, alle sind irgendwie vernetzt. Und die Themen, die diese israelischen Nerds offerieren, sind im Vergleich zur kalifornischen US-Szene bodenständiger und immer auf potentielle Nutzer ausgerichtet.

Bei Skoda stehen jetzt schon 13 junge israelische Unternehmen unter Vertrag, die man bei der Entwicklung ihrer Projekte begleitet. Schwerpunkte sind Themen wie Cyber Security, Big Data-Prozesse, Mobilitätsthemen und weitere Konzepte, die auf Künstlicher Intelligenz beruhen. Andre Wehner, als Chief Digital Officer bei Skoda verantwortlich für Unternehmensentwicklung und Digitalisierung, ist begeistert: „Für die Transformation vom reinen Autohersteller zum Anbieter ganzheitlicher Mobilitätsdienstleistungen sind Israel und Tel Aviv von zentraler Bedeutung. Unser DigiLab Israel bietet optimale Voraussetzungen, um das kreative Potenzial vor Ort zu nutzen.“ Zumal das tschechische Team vor Ort einen super Ausblick hat – seine Büros liegen im 42 Stockwerke hohen Champion Tower im Tel Aviver Vorort Bnei Brak. Aus bis zu 160 Metern Höhe geht der Blick über den benachbarten Ganei Yehoshua-Park, das schicke Einkaufsparadies Ayalon Mall und den Fluss Yarkon.

Angefangen hat Skoda übrigens mit vier Start-ups und entsprechenden gemeinsamen Projekten. Mit Guardian zum Beispiel, dem Entwickler eines All-in-one-Fahrzeugsensors. Und dem Mobilitätsdatenanalysten Otonomo, den auf IT-Sicherheit spezialisierten Cyber Security-Experten von XM Cyber sowie Anagog, wo Bewegungsmuster analysiert und für die Entwicklung von Mobilitätsservices aufbereitet werden.

Genaueres gewünscht? Gern, Guardien kümmert sich mit optischen Technologien ums Menschliche im Auto. Mit einem einzigen Supersensor (inklusive Mikrowellensensoren, Kameras und Wärmedetektor) unterm Autodach wird bis zur winzigsten Bewegung alles registriert: Die Belegung der Sitze, alle Reaktionen der Passagiere, die ordnungsgemäße Nutzung der Sicherheitsgurte und das Wohlbefinden des Babys auf dem Rücksitz. »Wir sind auch mit anderem Autoherstellern im Gespräch«, deutet Guardian-Chef Gil Dotan selbstbewusst an.

Mit dem Start-up Otonomo, das die vielen Fahrzeugdaten, die permanent gesammelt werden, für Fahrer, Passgiere und das gesamte Transport-Ökosystem so wertvoll wie möglich machen will, ist man auch intensiv verbandelt. »Mit Skoda arbeiten wir gut zusammen«, sagt Marketingleiterin Lisa Joy Rosner, die es aus dem kalifornischen Silicon Valley nach Tel Aviv verschlagen hat. Es geht um einen Marktplatzes für Fahrzeugdaten, unabhängig von Google und Apple. »Da sind Hunderte von Anwendungen möglich«, erklärt Lisa. Sogar ein privater Tank-Service. Wie bitte? Ja, da bewege sich dann ein kompakter Tankwagen zum Büro-Parkplatz, das Auto müsse nur entriegelt werden, die Rechnung kommt extra. Okay, ein bisschen crazy, wird aber in Amerika schon getestet. Das würde ja mit mobilen Akkus auch für Elektroautos funktionieren.

Und dann XM Xyber, diese verschärfte Sicherheits-Einheit, die Tamir Pardo, der ehemalige Chef des israelischen Geheimdiestes Mossad, im vorletzten Jahr gegründet hat. Spezialisiert auf Cyber-Angriffe jeder Art – ein heißes Thema angesichts der elektronischen Aufrüstung der Autobranche. »Wir beschäftigen 30 Hacker, darunter einige der Besten der Welt«, verrät Geschäftsführer Noam Erez. »Rund um die Uhr bewachen wir sozusagen die Kronjuwelen der jeweiligen Unternehmen.« Hacker-Angriffe werden praktisch im voraus geblockt – automatisiert, von Algorithmen künstlicher Intelligenz gesteuert.

Anagog hat im Kreis der israelischen Skoda-Partner eine Sonderstellung. Einerseits zählt das 2010 gegründete Unternehmen zu den großen Stars der Szene. Andererseits ist Skoda hier sogar mit einer strategischen Minderheitsbeteiligung im Geschäft – und hat damit den direkten Zugriff auf Technologien des Hightech-Start-ups. Reizvoll sind die Datenanalysen von Anagog für digitale Mobilitätsdienstleistungen. Was beispielsweise zur Prognose von freien Parkplätzen ebenso nützlich ist wie für Angebote von personalisierten Fahrzeugversicherungen.

Stichwort Parkplatzsuche. Das funktioniert folgendermaßen: Die Big Data-Truppe erstellt per Zugriff auf die Smartphones-Infos ihrer Kunden, egal ob Apple oder Android, mit Hilfe von Algorithmen und künstlicher Intelligenz komplette Bewegungsmuster. Live natürlich. »Wir wissen immer genau, wo sich die Leute aufhalten – im Bett, im Büro, im Fahrstuhl oder an einer bestimmenden Position im Verkehr«, sagt Ofer Tziperman, Anagog-Chef und israelischer Hightech-Pionier der ersten Stunde. Rund 20 Milliarden Bewegungspunkte würden da weltweit täglich gesammelt. Praktisch bei der Parkplatzsuche, denn die App meldet, wo in den nächsten drei Minuten für den Interessenten ein Plätzchen frei wird – der dazugehörige Autobesitzer kommt schon fast um die Ecke. Anagog weiß auch, an welchem McDonalds gerade wenig los ist oder welche Routen potentielle Carsharing-Nutzer lieben. »Über hundert Anwendungen sind schon möglich«, erklärt Tziperman.

Auch die neueste Skoda-Kooperation mit dem israelischen Start-up UVEye verspricht spannende Vorteile. Die speziellen Scanner dieser Mannschaft tasten nämlich rundum Karosserie, Unterboden und Reifen eines Autos ab. Aus den Daten erstellt die Software in Sekunden ein scharfes und detailgetreues 3D-Bild und erfasst dabei eventuelle Beschädigungen des Fahrzeugs. Eine coole Lösung, die besonders für die Fahrzeugrücknahme bei Händlern, Vermietern und Leasing-Gesellschaften interessant ist. In Tschechien wird sie schon praktisch getestet.

Skoda jedenfalls baggert in Israel mit Topspeed. Generell setzt man auf sehr schnelle Entscheidungen bei der Nutzwertanalyse der Start-ups, maximal drei Monate darf das dauern, Skodas Entwicklungsabteilung ist da sofort involviert. »Bei uns gibt es dann fix ein Feedback«, sagt Skodas Digitalchef André Wehner. Also auch mal ein klares Nein. Der Nächste bitte.