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Veröffentlicht am 22.03.2019

Volvo macht ernst: Tempolimit und völlig neue Sicherheitstechnik

Die grundsätzliche Botschaft ist klar: Ab 2020 soll kein Fahrer mehr in einem neuen Volvo sterben – das ist das Ziel des Konzerns. Der schwedische Hersteller begrenzt deswegen die Höchstgeschwindigkeit seiner Autos – und offeriert zukunftsweisende Sicherheitstechnik.

Die Schweden sind sind keine Spaßverderber und für jede Party gern zu haben. Sie sind alle nett per Du, und an ihren vielen, ziemlich traditionellen Feiertagen hauen Sie auch gern mal auf den Putz. Aber während bei uns in Deutschland sehr kontrovers über ein Tempolimit diskutiert wird, setzt der Autohersteller Volvo es einfach durch. Bereits ab Mitte 2020 sollen die Neuwagen der Schweden höchstens noch 180 Kilometer pro Stunde fahren – und die Zahl tödlicher Unfälle damit weiter in Richtung null sinken.

„Eine Geschwindigkeitsbegrenzung ist zwar kein Allheilmittel, aber es lohnt sich schon, wenn dadurch auch nur ein Menschenleben gerettet werden kann“, findet Volvo-Vorstand Håkan Samuelsson. Und genau deshalb habe sich der Konzern zu diesem Schritt entschieden.

Das Problem sei nämlich, dass ab einer bestimmten Geschwindigkeit die Sicherheitstechnologie in den Autos einfach nicht mehr ausreiche, um schwere Verletzungen und Todesfälle bei einem Unfall zu vermeiden. Überhaupt sei die Tempoüberschreitung einer der häufigsten Gründe für Todesopfer im Verkehr. »Die Gefahr der Geschwindigkeit verstehen die Leute häufig nicht, sie ist Ihnen zu abstrakt“, erklärt Jan Ivarsson, Sicherheitstechniker bei Volvo. Die meisten würden ihre eigenen Fähigkeiten fürs Bewältigen gefährlicher Verkehrssituationen falsch einschätzen.

Neben der Begrenzung der Höchstgeschwindigkeit prüft Volvo auch, wie eine intelligente Geschwindigkeitssteuerung in Zukunft das Tempo eines Fahrzeugs – beispielsweise vor Schulen, Kitas oder Krankenhäusern – automatisch begrenzen könnte. Mithilfe der sogenannten Geofencing-Technologie könnten zum Beispiel virtuelle Bereiche abgesteckt werden, an deren Einfahrten das Auto ruck, zuck automatisch abbremst.

Gutes Thema. Hierzulande können wir ja an fast jedem Morgen und an fast jeder Berliner Grundschule beobachten, wie hektische Helikopter-Eltern mit ihren Kindern quasi auf der letzten Rille per Vollspeed einfliegen. Uff, gerade mal wieder geschafft. Und Gottseidank wieder nix passiert.

„Wir möchten ein Gespräch darüber beginnen, ob wir als Automobilhersteller das Recht oder sogar die Verpflichtung haben, Technologie in Autos zu installieren, die das Verhalten des Fahrers positiv ändert, um Probleme wie Geschwindigkeit, Rausch oder Ablenkung in den Griff zu bekommen“, sagt Samuelsson. „Wir haben keine fertige Antwort auf diese Frage, aber wir glauben, wir sollten hier die Führungsrolle übernehmen.“

Genau, schließlich steht Volvo seit Jahrzehnten für vorbildliche Sicherheit. Und ein praktischer Schritt ist auch der Care Key, gewissermaßen der Achtsamkeitsschlüssel, den es ab Modelljahr 2021 serienmäßig in allen neuen Volvo-Modellen geben soll. Mit ihm können Volvo-Fahrer künftig eine Höchstgeschwindigkeit festlegen, wenn sie ihr Fahrzeug an Familienmitglieder, Freunde, Kollegen und allen voran an Fahranfänger (zum Beispiel an die eigenen Kinder!) verleihen. Und damit setzt der schwedische Premium-Automobilhersteller ganz praktisch ein weiteres Zeichen gegen überhöhtes Tempo. Bisher gab es so etwas nur gegen Aufpreis («Red Key«).

Neben dem Sicherheitsgewinn könnten Volvo-Fahrer durch das Tempolimit und den Care Key auch finanziell profitieren. Der schwedische Hersteller ermutigt nämlich gerade Versicherungsunternehmen in verschiedenen Märkten, mal über spezielle Tarife für Volvo-Fahrer nachzudenken, die diese Sicherheitstechnik nutzen. Tatsächlich rechnen Volvos Manager schon in Kürze mit ersten Vereinbarungen mit Versicherungen. »Wenn die Technik zu einem besseren Fahrverhalten beiträgt und den Fahrer aus kritischen Situationen heraushält, ist eine positive Auswirkung auf die Versicherungsprämien nur logisch“, kommentiert Samuelsson.

Die Schweden haben aber noch mehr Ideen. So können Sie sich vorstellen, den Zustand des Fahrers permanent zu überwachen – und in kritischen Situationen das Fahrzeug automatisch zu stoppen. Kritische Situationen?
Der schwedische Automobilhersteller will künftig der Ablenkung und dem Fahren unter Rauschmitteleinfluss entgegenwirken – Hauptgründe für Unfälle. Allein in den USA waren 2017 nach Angaben der Verkehrssicherheitsbehörde NHTSA rund 30 Prozent aller Verkehrstoten auf das Fahren unter Alkohol- und Drogeneinfluss zurückzuführen. Und schwer mit ihrem Smartphone beschäftigte Autofahrer können wir heutzutage an fast jeder deutschen Ampelkreuzung hübsch beobachten. Völlig abgelenkt, völlig abgetaucht. Viele dieser Kandidaten praktizieren das sogar auf der Autobahn.

Mit Kameras und anderen Sensoren im Fahrzeug will Volvo diesen Problemen begegnen. Das System beobachtet den Zustand des Fahrers und greift notfalls ein, falls dieser nicht auf Warnsignale reagiert und Unfälle mit ernsthaften Folgen drohen. Das könnte dann eine Reduzierung der Geschwindigkeit sein oder die Benachrichtigung der Volvo on Call-Einsatzzentrale und im letzten Schritt schlicht das Abbremsen und sichere Parken des Volvo.

„Wenn es um Sicherheit geht, wollen wir am liebsten Unfälle vermeiden, statt ihre Folgen zu reduzieren“, erklärt uns Henrik Green, bei Volvo Senior Vice President für Forschung und Entwicklung. Beispiele fürs Fehlverhalten? Zum Beispiel fehlende Lenkbewegungen über einen längeren Zeitraum, geschlossene Augen oder längere Zeit von der Straße abschweifende Blicke (richtig, Smartphone!), das Fahren von Schlangenlinien oder einfach ungewöhnlich lange Reaktionszeiten. Dieses  Überwachungssystem sei ein wichtiges Element, damit das Fahrzeug aktiv Entscheidungen treffen kann. Und Trent Victor, Senior Technical Leader Fahrerverhalten bei Volvo moniert: »Einige Leute glauben immer noch, dass sie nach einem Drink fahren können und dieser ihre Fähigkeiten nicht beeinträchtigt. Wir wollen sicherstellen, dass Menschen nicht durch Alkohol- und Drogeneinfluss in Gefahr geraten.“

Die Einführung der Kameras soll Anfang der 2020er Jahre mit der nächsten Generation der von Volvo entwickelten, skalierbaren SPA2 Produkt-Architektur starten. Prinzipiell aber will Volvo eine Diskussion darüber starten, ob Automobilhersteller das Recht oder vielleicht sogar die Pflicht haben, Technik in ihren Autos zu installieren, die das Verhalten der Fahrer positiv beeinflusst. Kein einfaches Thema, aber die Schweden gehen es einfach mal an.